vorheriges werk nächstes werk



comic strip

für großes Orchester in elf Gruppen

  1998   Besetzung: 4.3.3.2 – 5.3.3.1 – Hrf.Pf/Cel.Harm.Pk.5Sz – Str (16.14.9.9.8)  

~17'

[v1.1]

 

details

 

Kompositionsauftrag für das Abschlusskonzert der 17. Musik-Biennale Berlin
Uraufführung (v1.1): 21.3.1999, Berlin (Philharmonie), Junge Deutsche Philharmonie | Lothar Zagrosek
2000: CD-Veröffentlichung des Live-Mitschnitts der Uraufführung bei RCA (in der Reihe "Musik in Deutschland 1950-2000") auf der CD Sinfonische Musik 1990-2000 [ZUR CD]

 

 

 

zum instrumentarium

 

Die 97 Musiker des Orchesters von comic strip sind in elf nachfolgend detailliert beschriebene Gruppen aufgeteilt. Deren richtige Aufstellung hat große Bedeutung für die Durchhörbarkeit des Stückes. Harfe, Harmonium und Klavier sollten eine Diagonale über das Podium ziehen. Das Harmonium muss bei den Flöten stehen. Das Schlagzeug sollte in einer Reihe in der Mitte und wie angegeben von links nach rechts verteilt aufgebaut werden. Pauken und elektrisch verstärkter Kontrabass links (in der Nähe der Bässe der Gruppe VI) — als Gegengewicht zu den Bässen der Gruppe XI rechts. Das Orchester sollte möglichst in abgebildeter Aufstellung auf der Bühne positioniert werden:

 

 

Stephan Winkler: comic strip (Orchestergruppenpositionierung)

 

(Gruppe X sitzt weitläufig im Publikum verteilt)

 

 

 

4 Flöten (4. auch Piccolo)

Harmonium

(5)

 

3 Klarinetten in B

(3. auch Bassklarinette)

(3)

 

2 Oboen

1 Englischhorn (durchgehend)

2 Fagotte (2. auch Kontrafagott)

(5)

 

2 Trompeten

3 Posaunen (3. auch Bassposaune)

(5)

 

1 Flügelhorn

5 Hörner

1 Tuba

(5)

 

Harfe

kleine Streichergruppe (3.3.2.2.2)

(13)

  Die Streicher dieser Gruppe (weniger avancierte Parts als Gruppe XI) benötigen je ein Gitarrenplektrum sowie zwei Splinte.

 

5 Pauken (1 Spieler)

1 elektrisch verstärkter Kontrabass

(2)

 

Fünf Pedalpauken im Gesamtumfang von G1(!)-cis'. Der Kontrabassist benötigt  einen guten Tonabnehmer,  einen Kofferverstärker sowie ein Effektgerät (Distortion).

 

5 Schlagzeuger

(5)

  1: Piccolo-Woodblock, Brazilian Shaker, tiefe Snare, 3 Bongos
2: Tambourin, 2 sehr hohe Snares, 2 tiefere Tomtoms, Gran Cassa, Glockenspiel, Crotale in b''''
3: Stahlstück, hohe Snare, wood drum, kick bass drum, Gran Cassa (selbes Instr. wie 2)
4: hängendes Becken,Triangel, hohe Snare, 3 Timbales, Röhrenglocken in fis, c', d', es', h' und c''
5: Knallstyropor, HiHat, mittlere Snare, log drum (so tief als möglich)

 

Klavier | Celesta (1 Spieler)

(1)

 

7 Musiker im Publikum mit je einem Glöckchen und einem Diktaphon (Diktiergerät)

(7)

  Die sieben Musiker dieser Gruppe müssen räumlich möglichst gleichmäßig verteilt auf gewöhnlichen, vorher zu reservierenden Plätzen im Publikum sitzen (auch auf Rängen). Die  Glöckchen müssen folgende Tonhöhen haben: b''', c'''', d'''', 2mal e'''', fis'''' und gis''''.

  große Streichergruppe (13.11.7.7.5)

(43)

 

Die Kontrabassisten der Gruppe XI sollten möglichst alle Fünfsaiter spielen.

 

 

 

 

 

comic strip existiert in drei Versionen, wovon die erste als Aufnahme vorliegt, die zweite notiert ist und die dritte als Projekt noch seiner Verwirklichung harrt. Bei den formalen Eräuterungen will ich chronologisch rückläufig vorgehen.

 

 

Während der Komposition des Stückes entwickelte sich die Idee, dem 17minütigen Hauptsatz zwei kürzere Vorspiele voranzustellen. Sie stellen insofern Gegenentwürfe zum Hauptsatz dar, als sie lediglich auf jeweils einer Idee beruhen und diese in Art einer Invention ausbreiten. Dies ist die Satzfolge (mit Dauern) dieser Version:

1.   schnee   3'
2.   gras   3'
3.   strip   17'

 

 


Version 2 entspricht dem vollständigen dritten (und Haupt-)Satz der 3. Version und hat folgende Form:

 

 

 

 

 

Die 3 Abteilungen,

 

 

 

 

 

die 7 Binnenzyklen

und ihre 17 Teile

(mit Skalentrans-

positionen nach

dem @-Zeichen),

 

 

 

 

 

 

die Entwicklung

der Dauern,

 

 

 

die für den je-

weiligen Teil

charakteristische

Hauptschicht,

 

 

die wichtigste

kontrapunktische

Schicht des Teils,

 

 

 

dauernverhältnis-

mäßige Darstellung

der beiden

vorgenannten.

 

 

 Stephan Winkler: comic strip (Form Version 2.—)    

 

Die 17 Teile dieses Werkes bilden 7 Binnenzyklen — die Zyklen A-D aus 3, die Zyklen E und F aus 2 Teilen; G, als der deutlich längste Teil des Stückes steht als ”Zyklus” allein. Das Verhältnis der einzelnen Teile eines Binnenzyklus’ zueinander ist von Zyklus zu Zyklus verschieden (Fortsetzungen/Erweiterungen/Reduktionen/Ausspinnungen...) — jeder Binnenzyklus hat einen Hauptteil, der auch der zeitlich ausgedehnteste ist; er ist in obiger Darstellung unterstrichen.

Mit dem Ziel die verschachtelte Form von comic strip hörend nachvollziehbar zu machen, kontrastieren die einzelnen Binnenzyklen möglichst stark zueinander und sind jeweils an der Oberfläche von einer sie hauptsächlich prägenden musikalischen Ebene dominiert.

A und D charakterisieren gewissermaßen die "Hauptpersonen" dieses comic strips. Den Binnenzyklus A — man könnte konventionellerweise vom "männlichen" Agens sprechen — kennzeichnen schwungvolle Härte und fordernde Gesten. Seine Teile nehmen im Laufe des Stückes an Dauer zu, verlieren aber dennoch an Einfluss (so schweigt dieser Aspekt gänzlich nach der Kulmination in G, taucht nur noch zweimal dezent in den Kontrapunkten auf). Den Gegenentwurf bildet der Binnenzyklus D — das entsprechende "weibliche" Movens —, der von schönen Linien und weicher Intensität  geprägt ist. Seine Teile gewinnen im Verlauf des Stückes — obwohl an Dauer abnehmend — immer deutlicher an Einfluss.
In den B-Teilen reagieren in einer Art Biotop kleine musikalische Automaten aufeinander. Obwohl die Modelle sich zum größten Teil von jenen unterscheiden, sind hier natürlich die Erfahrungen mit dem sich ganz auf diese Idee konzentrierenden Stück Gullinkambi (siehe dort) eingeflossen.
Der Binnenzyklus C ist der einzige, der von einer etwas konventionellen Zweiteilung geprägt ist (man könnte beinahe von Melodie und Begleitung sprechen): ausladende Linien, welche mit einer Art "Kometenschweif" versehen sind, der in jedem der drei Teile anders organisiert ist, werden von einer — leicht Drum’n’Bass-beeinflussten, eigentlich dezenten, in der Uraufführung allerdings viel zu laut polternden — algorithmisch organisierten Textur der Schlagzeuger begleitet.
Der E-Zyklus bildet sehr zarte, geräuschhafte Zwischenspiele (u.a. Atem, ein den Shephard-Effekt imitierendes "Moebiusband" sowie eine Art Geräuschekanon).
Die F-Teile sind das Resultat der Suche nach möglichst variantenreiche Beantwortungen auf eine Fragestellung, die mich seither in einer Reihe von Stücken beschäftigt hat: das gesprochene Wort als morphologische Quelle für musikalische Gestaltenbildung. In diesem Falle wurde ein  pikantes phonetisches Fundstück transkribiert und transformiert (komplett im ersten, ein Ausschnitt im zweiten F-Teil).
In einer nicht unbemerkt gebliebenen Abkehr vom Verbotekanon der Deutschen Neuen Musik wird im G-Teil nach einer dreiminütigen Steigerung, die wesentliche Elemente der A- und D-Teile verknüpft, wobei das D-Element allmählich vom A-Element mitgerissen wird, der Höhepunkt des Stückes erreicht.

Neben der Ebene der beschriebenen Hauptcharakteristika hat jeder Teil eine hauptsächliche kontrapunktische Schicht. Deren Charakterisierungen entsprechen exakt denen der Hauptebene — ihre Abfolge ist aber als Krebs der eigentlichen Folge unterlegt (siehe die auf dem Kopf stehende kleingeschriebene Zeile und das untere, schmalere Band in der farbigen Zeitleiste am Fuße des obigen Diagramms). So ergibt sich u.a., dass das Stück mit von "weiblichen" Farben kontrapunktierter "Männlichkeit" beginnt und mit von behutsam-männlichen Repetitionen begleiteter "Weiblichkeit" endet.

 

Noch detailliertere Auskünfte finden Sie hier:  

 

 

 

 

 

Diese (einzige bislang aufgeführte) erste Version des Stückes besteht aus den ersten zwölf Teilen des vollständigen Werkes mit einem angefügten vorläufigen Schluss:

 

Stephan Winkler: comic strip (Form von Version 1 und 2)

 

 

 

 

 

 

 

Die Skala,

 

Stephan Winkler: comic strip (Skala)

 

 

ihre Transpositionen

 

Stephan Winkler: comic strip (Skalentranspositionen)

 

 

und die wichtigsten symmetrischen Ausgangsakkorde (7 elftönige, 11 siebentönige und 7 fünftönige) und ihre meist asymmetrischen Verschiebungen.

 

Stephan Winkler: comic strip (Akkorde)

 

Noch detailliertere Auskünfte finden Sie hier: