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sisu.

für Oboe, Violoncello und Klavier
  1993               Besetzung: Ob — Pf — Vc
  ~8’
             

  2002:
   

 

 

details

 


 

Auftrag des aulos-Trios Leipzig
Uraufführung: 5.11.1993, Köln, aulos-Trio, weitere Aufführung in Berlin

2002: Remix unter Hinzufügung eines Stereo-Zuspiels und (ad lib.) Videos

 

 

details zu den binnenzyklen

 

 

Stephan Winkler: Sisu. Form - Binnenzyklus A vertikal
 

Stephan Winkler: Sisu. Form - Binnenzyklus A horizontal

Zyklus A besteht aus 3 Varianten eines Permutationsrotors. Ihm zugrunde liegt eine mit dem Hauptakkord selbst beginnende Sequenz seiner Verschiebungen, deren je 7 Elemente in eine 11 Viertel lange Folge von Triolensechzehntel-Dreiklängen aufgelöst ist. Diese Folge stellt eine Permutationssequenzschleife dar, deren mathematisches Gestaltungsprinzip man so beschreiben könnte: jeder Dreiklang enthält drei andere Töne als der vorangegangene, wobei einer seiner Töne derjenige sein soll, der in beiden vorangegangenen Dreiklängen nicht enthalten war. Wobei gilt: nur Stimme3 (Pf) permutiert alle 7 Akkordtöne; Stimme1 (Ob) enthält nur die oberen 4 Akkordtöne, Stimme2 (Vc) nur die unteren 4 (wodurch der "Achsenton" etwas betont wird). Nach Ablauf ihrer 66 Elemente kann diese Schleife ohne Verletzung des Gestaltungsprinzips wiederholt werden. Die Dauern der Akkordwechsel in A1 stellen eine Diminuition der Großform dar. Der Anordnung ihres Auftretens in der Großform folgend, bestehen die Abschnitte des Zyklus' A aus 377, 21 und nochmals 21 Sechzehnteln (insgesamt 419). Ab Takt 13 stellen sich (zunächst unauffällig) Defekte in der Struktur ein, die in wiederum Fibonacci-basierter Ausbreitung unaufhaltsam in den bedrohlich lärmenden Abgrund des ersten Verteters des 2. Zyklus' (B) stürzen lassen. In den beiden deutlich kürzeren weiteren Teilen des Zyklus' (A2 ab T.82 & A3 T.97-99) verstärkt sich die Tendenz zur klanglichen Konzentration auf den Zentralton der Akkorde weiter.

 

Stephan Winkler: Sisu. Form - Binnenzyklus B vertikal
 

Stephan Winkler: Sisu. Form - Binnenzyklus B horizontal

Der mit "Aggressor" vielleicht etwas überspitzt benannte Zyklus B besteht aus sprödem Material: jedes Instrument führt ein eigenes Set mehrerer starrer und relativ geräuschhafter Klänge in verschiedenen Paarungen vor.  Jedes Wechselpaar enthält ein Element des vorangegangenen und weist eine spezifische Pendelfrequenz auf. Als Beispiel sei hier die Organisation der Oboenstimme des Teils B1 dargestellt:

Stephan Winkler: Sisu. B1 Oboenstimmenorganisation

Die Dauern der 5 B-Varianten nehmen rapide ab: 233-55-8-3-55 Sechzehntel. Der Sprödheit des Materials entspricht seine sture Entwicklungslosigkeit. Unverändert bricht es sich zu Beginn des Takts 73 B2 erneut Bahn – allerdings zunehmend von weiteren Ankündigungen des darauffolgenden Abschnitts durchsetzt. Während B3 bereits nur noch einen 2/4-Takt füllt, sind zwei Schläge alles, wofür in den 3 Sechzehnteln des Taktes 92 Zeit bleibt (B4). Deutlich nach dem Zeitstrudel des Goldenen Schnitts erhebt der scheinbar unversehrt gebliebene aggressive Zyklus ein letztes Mal seine mechanisch grinsende Fratze (B5).

 

Stephan Winkler: Sisu. Form - Binnenzyklus C vertikal
 

Stephan Winkler: Sisu. Form - Binnenzyklus C horizontal

Ohne formale Vermittlung beginnt der erste Vertreter des C-Zyklus. Ebenso wie sich Zyklus B möglichst deutlich von Zyklus A absetzte, steht C1 besonders hinsichtlich seiner Lautstärke und seines Charakters in möglichst starkem Kontrast zu seinem unmittelbaren Vorgänger. In einiger Hinsicht aber auch zu A1: wurden dort die instrumentenspezifischen Unterschiede durch ein möglichst homogenes Klangbild verwischt, werden sie hier auf die deutlichste Weise vorgestellt: C1 besteht aus 13 Tönen, welche zuerst vom einzigen der drei Instrumente, das solches kann, aus dem Nichts herbeigeführt werden (Cresc. des Vc), um vom dafür prädestinierten zweiten Intrument gehalten (Ob) und vom darauf spezialisierten dritten Instrument (Pf) zum Verklingen gebracht zu werden. In der Folge verliert dieser Zyklus besonders rapide an Präsenz: C2 ist schon nur noch 13 Sechzehntel lang: es reicht nur noch fürs An- und Abschwellen, während die Ob bereits in B3 strudelt. Unmittelbar vor dem "Stulp" deutet ein anschwellendes Cello C3 eigentlich nur noch an: lediglich die ersten 2 Sechzehntel von Takt 90 stehen noch zur Verfügung, bevor die Form in den erwähnten Abgrund fährt. Doch schon bald danach – nach einem zweiten Summen – erscheint mit C4 der vorletzte Vertreter des Zyklus'. Zunächst wieder lediglich 13 Sechzehntel lang, deutet er die Entwicklung des Zyklus' an: zwar gibt es noch zwei Crescendi, gehaltene Töne sind aber nicht mehr präsent und auch das An- und Abschwellen fügt sich nicht mehr aneinander. Im das Stück beschließenden Teil C5 schließlich ist das ursprünglich Instrumentenspezifische des Zyklusbeginns gänzlich zugunsten einer an den Beginn des Stückes gemahnenden Homogenität aufgegeben. In zarten und einander möglichst ähnlichen Tropfen klingt das Stück aus.

Die Dauern der 5 C-Varianten: 144-13-2-13-233 Sechzehntel.

 

Stephan Winkler: Sisu. Form - Binnenzyklus D vertikal
 

Stephan Winkler: Sisu. Form - Binnenzyklus D horizontal

Auf das "Intermezzo der Innerlichkeit" von C1 folgt mit Takt 65 der erste der 5 tändelnden D-Teile. Immer deutlicher wird die sich beschleunigende Form: D1 ist nur noch 89 Sechzehntel lang. In den übermütigen Sprüngen des Teils fallen die früh (ab T.66) auftretenden Vorboten des nächsten, aber auch bereits des übernächsten Abschnitts (ab T.67) zunächst wenig auf, setzen sich aber dennoch rasch durch. So bleiben auch die nachfolgenden Wiederaufnahmen dieses Zyklus' ohne Chance: nur noch 3 Sechzehntel bleibt einem Schnipsel, das Abschnitt D2 vorstellt (T.89). Auch wenn der letzte Versuch in Takt 93 immerhin 5 Sechzehntel gelingt: es bleibt der letzte.

Stephan Winkler: Sisu. Form - Binnenzyklus E vertikal
 

Stephan Winkler: Sisu. Form - Binnenzyklus E horizontal

Nach D1 erfolgt zunächst die erste Reprise des Stückes (B2). Diese wird aber, wie oben schon erwähnt, zusehends mit in immer kürzeren Abständen auftretenden und gleichzeitig leiser werdenden c'-Staccati durchsetzt – Ankündigungen der Repetitionen des darauffolgenden Teils E1.

Die Beschleunigung: T.67 Pf ←89 Zweiunddreißigstel→ T.71 Pf ←55 Zweiunddreißigstel→ T.74 Pf ←34 Zweiunddreißigstel→ T.75 Vc ←21 Zweiunddreißigstel→ T.76 Pf ←13 Zweiunddreißigstel→ T.77 Ob ←8 Zweiunddreißigstel→ Vc ←5 Zweiunddreißigstel→ Pf ←3 Zweiunddreißigstel→ Vc ←2 ZweiunddreißigstelE1 (Takt 78: jedes Zweiunddreißigstel).

E ist der erste Zyklus, dessen Teile an Länge gewinnen – seine Proportionen entsprechen einer diminuierten Spiegelung derer des Zyklus A: 34-34-144. E1 mündet in die erste Wiederaufnahme des ersten Zyklus' (A2), welche das c' als Zentralton des permutierten Akkords noch einen Moment fortträgt. Erst dem dritten und letzten Wiederkehren desselben Zyklus (A3) folgt die zweite Version des Repetitoren-Zyklus' E2. Deutlich forscher und in schwindelnder Höhe vorgetragen, lebt sie vom geschwinden und unvorhersehbaren Wechsel der Klangfarben einer Tonrepetition, wird aber nach wiederum nur 34 Sechzehnteln vom Starrsinn des letzten B-Teils unterbrochen. Nicht für allzu lang allerdings: nach nur zwei Teilen mündet deren zweiter (G2) in die ausgedehnteste Version des Repetitions-Zyklus (E3), welche in Takt 120 gewissermaßen "aufplatzt" um sich ganz allmählich wieder auf den selben Ton zusammenzuziehen.

 

Stephan Winkler: Sisu. Form - Binnenzyklus F vertikal
 

Stephan Winkler: Sisu. Form - Binnenzyklus F horizontal

Der knappste Zyklus (kaum als solcher zu bezeichnen) ist Zyklus F. Kurz vor den Strudeln des Umkehrpunkts (T.88 – F1) wirft er zum ersten Mal für 5 Sechzehntel sein stilles Summen in die kollabierende Form ein – kurz nach demselben wiederholt sich dies für 8 Sechzehntel (T.94 – F2).

Stephan Winkler: Sisu. Form - Binnenzyklus G vertikal
 

Stephan Winkler: Sisu. Form - Binnenzyklus G horizontal

Nach dem "in den Abgrund strudelnden" Glissando des Vc, welches die beiden 1en am Ende der ersten (rückläufigen) bzw. Neubeginn der zweiten (wieder aufsteigenden) Fibonacci-Sequenz repräsentiert, beginnen sich die Teile ab Takt 91 wieder auszudehnen.

Erst hier, ab dem 2. Sechzehntel von T.91 und für nur 2 Sechzehntel (5 Quintolenzweiunddreißigstel), erscheint der erste Vertreter des letzten Zyklus G: kaum mehr als eine Andeutung im Klavier.

Aus dem letzten Aufbäumen des aggressiven Zyklus' (B5) steigt ab Takt 108 mit G2 eine lautstark taumelnde Linie aus den tiefen Regionen des Klaviers empor, bei deren gelegentlichen Abbrüchen flirrenden Hintergründe hörbar werden. Allmählich erreicht die Klavierlinie das c'', welches zum bereits beschriebenen Hauptvertreter des Repetitions-Zyklus' (E3) führt.

 

 

 

NB: 25+1+1967=1993 | 2+5+1+1+9+6+7=31



 

 

 

 

 

Die verwendete Skala, ihre 19 Transpositionen und der Hauptakkord mit seinen XIII möglichen Verschiebungen in der 1. Skalentransposition:

Stephan Winkler: Sisu. (Skala und ihre Transpositionen)

 

 

 

 

Zwei Partiturseiten der ersten Fassung:

 

Stephan Winkler: Sisu. (Partitur S.1)Stephan Winkler: Sisu. (Partitur S.7)