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sisu.rmx

für Oboe, Violoncello, Klavier und Zuspiel

(mit Video von Frédéric Saint-Hilaire ad lib.)

  2002  

Besetzung: Ob.Vc.Pf
+Tontechnik
[DETAILS]

  ~7’

 

Versionen mit oder ohne einen vom Autor rezitierten Kurztext von Max Goldt.

Die Oboenstimme ist alternativ auf einem Sopransaxophon ausführbar.

 

text

 

Ich bin wahnsinnig gespannt darauf, ob ich in meiner selbstachtung sinken werde, wenn ich einem hungrigen kind eine madige hammelkeule aus der hand reiße, um meine wenigen verbliebenen zähne in sie reinzuhauen, mit langen freistehenden zahnhälsen. Man wird das oft sehen in der kummervollen, grauen zeit.

Berge von leichen mit "Ich war dabei"-T-shirts.

Das find ich nicht gut.

Ich hab ein anderes T-shirt und überlebe, und ich werd auch noch dabei sein, wenn alles wieder normal wird und eine wirklich kleine gruppe von kindern um eine alte frau, die erst 40 ist, herumsitzt und sagt: "Bitte erzähl noch mal davon wie alles nicht so einfach war, und wie dann alles langsam neu begann."

 

Max Goldt: back to normal
(aus Max Goldt: Edle Zettel, Manufactur-Druckerey Martin Schröder, 1996)

 

 

Sisu.RMX ist ein Remix von
Die Instrumentalparts von Sisu.RMX entsprechen komplett jenen des Vorlagesatzes.

 

 

 

 

 

Auftrag der Klangwerkstatt Berlin

Uraufführung: 9.11.2002, Berlin, ensemble mosaik, weitere Aufführungen in Deutschland und Kanada

2003: Gekürzte Fassung für Monika Wojtyllos Kurzfilm »Danger Zone« – aufführbar mit und ohne Ensemble

Uraufführung »Danger Zone«: 28.2.2003, Potsdam, Kammerakademie Potsdam, weitere Aufführungen

Uraufführung der Version mit Video von Frédéric Saint-Hilaire: 1.5.2005, Montréal (Société des Arts Technologiques), Ensemble KORE, im -Konzert .

 

 

 

 

Das Zuspiel ist stereo. Es ist ausreichend deutlich metrisch gegliedert, um sich für die Synchronisation des musikalischen (und visuellen) Geschehens zu eignen. Allerdings ist es deshalb vonnöten, dass die Musiker des Trios das Zuspiel möglichst klar und latenzfrei hören können. Ob dies mithilfe von Monitorboxen oder damit gelöst wird, die Boxen hinter dem Ensemble zu positionieren, sollte abhängig von den räumlichen Gegebenheiten entschieden werden.

Eine dezente (!) tontechnische Verstärkung der akustischen Instrumente ist durchaus wünschenswert.

Im Falle der Aufführung mit Video sind die beiden Tonspuren des Zuspiels Bestandteil der Filmdatei.

 

 

 

Da es sich beim Zuspiel von Sisu.RMX lediglich um eine verdeutlichende Hinzufügung handelt, finden sich alle kompositionsrelevanten Details zum Stück auf der Seite des Originalwerkes , weshalb an dieser Stelle nur ein paar aufführungspraktische Zusatzinformationen folgen:

 

 

Aus den ANMERKUNGEN für die Musiker (2005):

 

Der Eröffnung von Sisu. (A1) möge etwas Leichtes und Geheimnisvolles, bei aller rhythmischen Präzision und tonlichen Klarheit dennoch rätselhaft Schwebendes verliehen werden – ein Charakter, der dem im Titel des Stückes angedeuteten Wispern nahekommt.

Der gesamte Zyklus B ist geprägt von einem möglichst starren, beinahe mechanischen und jeder Modulation des Tones abholden Klangbild. Die im Oboenpart des Zyklus' notierten Mehrklänge sind Vorschläge (nach Veale). Jede "Note" bezeichnet einen spezifischen Mehrklang; direkt aufeinanderfolgende Mehrklänge sollten stets stark kontrastieren, kräftige Dynamik zulassen, aber eben auch möglichst dicht wechselbar sein – die konkrete Auswahl überlasse ich gern dem Interpreten. In den Vc-Partien dieses Zyklus' gehe ich nicht davon aus, dass alle Doppelflageolett-Tremoli jederzeit problemlos ansprechen. Nichtsdestotrotz sollte angestrebt werden, möglichst klare, rhythmisch präzise und lückenlose Registerwechsel zu verdeutlichen und so wenige Noten wie möglich zu verkürzen (trotz großer Lagenwechsel). Man denke sich ein durchgehendes Tremolo mit springender linker Hand.

Um im Teil C1 die Idee einer "gemeinschaftlich gestalteten Hüllkurve" hörbar zu machen, ist es erforderlich, die jeweils höchste Dynamik aller drei Instrumente anzugleichen. In der praktischen Umsetzung bedeutet das, dass Ob und Vc sich nach der Dynamik des Klaviers richten müssen. Der Pianist sollte nämlich seine konkreten Lautstärken insofern ein wenig der jeweils notierten etwaigen Verklingdauer anpassen, als jeder Ton immer etwa auf dem gleichen dynamischen Level angelangt sollte, wenn er ihn notationsgemäß unterbricht. Insgesamt soll in diesem Teil eine möglichst homogene "Übergabe" jedes Tons angestrebt werden. Zu starke "Überlappungen" können für das Entstehen dieses Eindrucks ebenso hinderlich sein, wie "Löcher". Das Vc strebe möglichst unhörbare Anfänge, gleichmäßiges Anschwellen und ein präzises, aber nicht extra betontes Abstoppen des Tones bei Einsatz der Oboe auf dem dynamischen Höhepunkt an – hierfür mag es empfehlenswert sein, wenn alle Töne mit erstem oder zweitem Finger gegriffen werden und mit dem vierten abgestoppt.
Der Epilog (C5, Takt 130ff.) soll mit höchster Spannung vorgetragen werden. Eine klangliche Verfeinerung für die Partie des Pianisten in diesem Teil stellt die Ausführung mithilfe von Resonanzklängen dar: kurz vor Anschlag einer Taste mit der rechten Hand werden mit der linken stumm deren zwei darunterliegenden Oktaven niedergedrückt; der eigentliche Anschlag der Note mit der rechten Hand möge dann nur noch ein Staccato sein (etwas lauter als notiert ausgeführt); zu bezeichnetem Zeitpunkt die linke Hand aufheben. Oboe und Violoncello sollen stets sehr sorgfältig darum bemüht sein, den Anschlag und das allmähliche Verklingen der Klaviertöne möglichst exakt nachzuahmen, dabei aber die Noten keinesfalls zu verkürzen! Die Vc- und Ob-Töne dürfen einen knackigen, sehr schnell abgemilderten Akzent bekommen. Zum allerletzten Takt: die durch das Crescendo im Vc ausgelöste Spannung soll sich erst im letzten Pulsarakkord lösen.

Das walkman-artige Zischeln im Klavierpart (kurz auch in dem des Violoncellos) der D-Teile möge leise und untheatralisch ausgeführt werden – wie nur so vor sich hin… Man darf auf die Durchsetzungsfähigkeit dieses Frequenzbereichs vertrauen. Das tsss möge im übrigen stets bis and das nächste t heranreichen.

Bei den Repetitionen des E-Zyklus' sollte viel Wert auf Angleichung derselben hinsichtlich der Dynamik und Tongebung (Dauer der Staccati) gelegt werden. Dass für das angestrebte Klangbild große rhythmische Präzision essentiell ist, versteht sich natürlich von selbst. Ein möglichst unvermitteltes "Aufplatzen" der Einstimmigkeit in der Mitte von Takt 120 und ein nicht zu frühes Abschwellen der Dynamik während der Re-Kontraktion verstärkt die Plastizität dieses Abschnitts.

In G2 ist mir der äußerstmögliche Kontrast zwischen leise flirrenden Akkorden und kürzestmöglich gehämmerten Zweiunddreißgstelquintolen wichtig.

Zwei gesonderte Anmerkungen für das Violoncello: bei der Ausführung der Pulsare (des regelmäßig wiederkehrenden gemeinsamen Akkords) möge bei mehrtönigen Pizzicati mit mehreren Fingern der rechten Hand gezupft werden, um jedes "Klappern" (bzw. arpeggio) zu vermeiden. insbesondere wegen seiner formalen Schlüsselstellung und Einzigartigkeit in diesem Stück lasse man der Ausführung des Glissandos in T.90f. besondere Sorgfalt und Intensität angedeihen. Gemeint ist ein in Takt 89 auf der C-Saite (!) angesetztes fis', das dann tatsächlich bis zum C hinabgezogen werden kann – dabei an- und wieder abschwellend, so dass das C wirklich bereits wieder piano erklingt.

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Einladung zur Uraufführung 2002:   Stephan Winkler: Sisu.RMX (Einladung zur UA)

 

 

 

 

Videostills aus der Arbeit von Frédéric Saint-Hilaire (2005):

 

 

 

Frédéric Saint-Hilaire: Video zu Stephan Winklers SISU.RMX (slices)