für sechs Saxophone (mit Video von Jesko Marx ad lib.) |
1999/2000 |
Besetzung: 6 Saxophonisten : 1:S/A; 2:A/T; 3:T/Br : 4:A/T; 5:T/Br; 6:Br/Bs +Tontechnik [DETAILS] |
~20' | |||
2000: |
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2002: |
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text
Christian Thorau — Auszug aus
(2005):
Die Idee eines beinahe ununterbrochenen Wechsels zwischen zwei Gruppen von je drei Saxophonspielern
prägt das Sextett zigzag auf allen Parametern. Im ersten Satz stehen sich zwei gleiche Gruppen von Alt-,
Tenor- und Baritonsaxophon als zig (Saxophon 1-3: rechts) und zag (4-6: links) gegenüber und werden so
auf die beiden Kanäle verteilt. Das Spiel mit der Stereophonie, verbunden mit der minimalistischen
Repetitionstechnik, verleiht der Musik bzw. dem Hörerlebnis eine tänzerisch-räumliche Qualität. Musik wird
erfahrbar als Hin und Her zwischen den Ohren (für gute Kopfhörer) oder als irrlichterndes Ping-Pong der
Lautsprecher. Doch man spürt, dass es mehr ist als ein reiner Soundeffekt, der hier einnimmt. Die äußerst
komplexe Schleifenstruktur beruht auf einem mathematisch aufwendigen Permutationsloop, der siebentönige
Akkorde möglichst gleichmäßig auf die sechs Instrumente verteilt. Durch Verschiebung dieser Akkorde auf
einer symmetrischen, nicht-oktavierenden Skala entsteht harmonische Bewegung, die repetitive Musik geht
in die Zeit und gewinnt mit ihr eine Expressivität, die sich in starken dynamischen Abstufungen und
Temposchwankungen niederschlägt.
Ist die melodiöse Kraft im ersten Satz noch gebannt im allgegenwärtigen Zickzack, so kommt sie im zweiten
Satz ganz zur Entfaltung. Nun wechselt eine der Alt-Stimmen zum Sopran-Saxophon und schwingt sich zu
einem weit gedehnten Monolog auf. In ein schier allumfassendes Ausdrucksspektrum von der Schwermut bis
in die Schwärmerei führend unterbricht sie sich periodisch immer wieder selbst, quasi kieksend, lächelnd,
belustigt oder zornig über den eigenen Gesang. Die anderen fünf weben einen feinen, halb perkussiven
Groove, der cool und doch alles andere als unbeteiligt der Rede des Kollegen zuhört — eine betörende
Anverwandlung des Komponisten an sein ungewöhnliches Ensemble. Übrigens wechseln auch die anderen
nach und nach ihr Instrument, so dass sich zu Beginn des dritten Satzes ein neues zig und zag
gegenüberstehen, im Tonumfang erweitert (Sopran- bis Bass-Saxophon) und in eine hohe und eine tiefe
Gruppe unterteilt.
Den drei Sätzen sind die Aspekte Verherrlichung [apothéosis], Offenbarung [apokálypsis] und Sehnsucht
nach dem ursprünglichen Zustand [apokatástasis] zugeordnet. Doch die semantisch schwer lastenden
Überschriften finden in dem Klang des Sextetts nicht nur ihre Entsprechung sondern auch einen Widerpart.
Es scheint, als ob gerade die Leichtigkeit des inneren Bewegungspulses und der trockene Punktualismus des
changierenden Off-Beats den theologisch-philosophischen Assoziationen die Schwere nehmen. Und es scheint
auch, als ob es dieser Slapstick-Funke gewesen ist, der aus der Musik ins Bild übersprang. Der Videokünstler
Jesko Marx bedient sich einer extrem reduzierten und abstrahierten Formsprache, die dem komplexen
Minimalismus der Musik genauso entspricht wie ihrem Witz. Fast ausschließlich impulsorientiert an der
Klangstruktur und doch mit unzähligen, subtilen visuellen Eigenwilligkeiten verschmilzt das Bild mit der
Musik zu einer Einheit, in der sich beide tatsächlich wechselseitig absorbieren (man merkt das, wenn man
die Bilder oder den Ton wahlweise weglässt). Und es wird sicher nur die Puristen bekümmern, dass der im
Verlauf des Stückes bereits biomorphe Abstraktionismus der Bilder kurz vor Schluss in die Figürlichkeit kippt.
Da beschleicht einen das enervierende Gefühl, dass dieser Klang-Bild-Synthese die Haut ihres selbstgewählten
Formats schon im Moment der Vollendung zu eng geworden ist: Ausblick auf ein Medium der Zukunft?